Wenn wir über historische Ereignisse sprechen, haben wir früher Zeiträume und Situationen als vor und nach Christus definiert. Seit Corona hat sich unser Fokus auf die Zeit vor und nach der Pandemie verschoben, was für den strategischen HR-Markt auf jeden Fall zutrifft! Mit immer neuen medizinischen Durchbrüchen nähern wir uns langsam dem Zeitalter nach der Pandemie. Wie sieht dieser Zeitpunkt nun für die Mitarbeiter von Unternehmen auf der ganzen Welt aus?
Unser CEO Dimitri Boylan hat sich im Rahmen des virtuellen CHRO Town Hall-Gesprächs von Evanta mit Katie Pearce, Chief People and Diversity Officer von Molson Coors, zusammengesetzt. Mit besonderem Augenmerk auf die Herausforderungen, die dieses neue Zeitalter mit sich gebracht hat, tauschten Dimitri Boylan und Katie Pearce einige wertvolle Erkenntnisse darüber aus, wie Unternehmen unermüdlich daran arbeiten, sich anzupassen – mit besonderem Fokus darauf, die Mitarbeiterbindung inmitten einer globalen Pandemie zu steigern.
Mitarbeiterbindung durch Onboarding
Ganz am Anfang steht das Onboarding-Erlebnis. Beim Versuch, einen Onboarding-Plan zu entwickeln, der auf irgendeine Weise eine soziale Komponente einfließen lässt, ohne dass die Beteiligten tatsächlich persönlich anwesend sind, stellt ein virtuelles Arbeitsumfeld eine echte Herausforderung dar. Ist das überhaupt machbar?
Dimitri Boylan stellt besonders die Feinheiten des Onboardings in den Vordergrund (d. h. persönliche Gespräche an der Kaffeemaschine), wobei das Onboarding seiner Meinung nach nicht mehr nur eine Checkliste sein sollte. Er legt nahe, dass beim Aufbau größerer Erfahrungen und bei der Betrachtung der verschiedenen Dimensionen eine Liste mit dem, was für jede Gruppe und Ebene eines Unternehmens wichtig ist, dem Unternehmen helfen kann, sich bewusst zu machen, worauf es seine Anstrengungen konzentrieren und wo es die Technologie sinnvoll einsetzen sollte.
Katie Pearce stellt auf der Grundlage dessen, was sie bei Molson Coors implementiert haben, heraus, dass Änderungen in den Onboarding-Plänen den Aufbau von Personenkohorten beinhalten können, die in der Lage sind, während des gesamten Onboarding-Prozesses miteinander zu interagieren. Die Sessions können zudem auf Informationshäppchen gekürzt werden, die sich an die realistischere Erwartung der Aufmerksamkeitsspanne anpassen, die Menschen heutzutage haben.
Den ganzen Tag vor einem Computer zu sitzen, führt zu einer Verringerung der Aufmerksamkeitsspanne. Die so genannte „Zoom-Müdigkeit“, aber auch alltägliche Faktoren wie Kinder, Paketzustellungen und sogar laute Nachbarn können dazu führen, dass Mitarbeiter schnell die Konzentration verlieren. Wenn Sie Ihre neuen Mitarbeiter motivieren und nicht überfordern und ermüden wollen, halten Sie es kurz.
Neu eingestellte Mitarbeiter sind begeistert, Teil des Teams zu werden, auch wenn sie dies aus der Ferne tun. Um diese Begeisterung aufrechtzuerhalten, müssen Unternehmen die sozialen und eher informellen Elemente der früheren Präsenzmodelle einbinden und an die aktuelle Remote-Umgebung anpassen. Das kann das Versenden von Willkommenspaketen sein, das Organisieren von virtuellen Kaffeepausen mit den jeweiligen Teamkollegen und sogar ein spontaner Auftritt des CEOs.
Als Beispiel beschreibt Katie Pearce, was sie getan haben, um frühere persönliche Onboarding-Events in ein virtuelles Onboarding-Erlebnis zu verwandeln, das die Mitarbeiterbindung fördert. Früher organisierte Molson Coors Touren „vom Korn zum Glas“ durch die Brauerei, damit neue Mitarbeiter jede Stufe des Bierbrauens sehen konnten und ein ganzheitliches Bild des gesamten Prozesses bekamen. Heute beinhaltet ein Teil der virtuellen Erfahrung, dass neue Mitarbeiter ein Paket mit allen notwendigen Zutaten erhalten, um ihr eigenes Bier zu Hause zu brauen!
Die Beibehaltung sozialer Komponenten beim Onboarding kann Unternehmen dabei helfen, die Mitarbeiterbindung zu fördern und mehr über die neuen Mitarbeiter und deren Hintergrund zu erfahren, sodass sie einen umfassenden Überblick darüber erhalten, wo das Unternehmen steht und wohin es sich entwickelt.
Der Feedback-Faktor
Bedenken Sie, dass jede Person, die das Unternehmen ausmacht, anders ist. Es gibt also keinen Standardplan, der für alle passt. Laut Katie Pearce ist es für eine funktionierende Onboarding-Strategie (und überhaupt für jeden unternehmensweiten Plan) notwendig, Mitarbeiter-Feedback zu sammeln. Auf diese Weise kann man seine Bemühungen zur Mitarbeiterbindung maximieren, indem man von den Menschen, die diese Prozesse durchlaufen, aus erster Hand erfährt, was gut läuft und was verbessert werden muss.
Mitarbeiter-Feedback sollte immer durch laufende Zielgespräche generiert werden, um die Verbindung zu den Mitarbeitern Monat für Monat aufrechtzuerhalten, die Einbindung zu steigern und sie nicht einfach sich selbst zu überlassen, sobald der offizielle Onboarding-Prozess abgeschlossen ist.
Mitarbeiterbindung durch interne Mobilität
Da es angesichts des Einstellungsstopps und des Aufstiegs der Gig-Economy unmöglich war, externe Mitarbeiter einzustellen, wandten sich Unternehmen dem Ausbau ihrer internen Mobilitätsstrategien zu. Wie Dimitri Boylan sagt: Es ist nicht nur eine interne Karriereseite; es geht darüber hinaus. Basierend auf dem, was er in verschiedenen Unternehmen gesehen hat, schlägt er vor, dass Unternehmen folgende Punkte berücksichtigen sollten:
- Die Frage, wer seine Position wechseln sollte
- Die Strategie, die mit diesen Versetzungen verbunden ist
- Die Workflows hinter den Genehmigungsmechanismen
Zusätzlich zu dieser Liste hat Katie Pearce beobachtet, dass Führungskräfte selbst Gespräche mit einzelnen Mitarbeitern in ihren Teams begonnen haben und nun entsprechend Folgendes planen:
- Wachstumsverhalten
- Nachfolgeplanung
- Verfügbare Stellen
Dimitri Boylan erwähnt auch, dass Unternehmen mit einer neuen Generation an Mitarbeitern zu tun haben, die interne Mobilität in ihrer Karriere priorisiert und erwartet, dass sie alles von unterwegs erledigen kann. Dies ist ein Zyklus, in dem Millennials und die Generation Z frisch diplomiert und voller neuer Ideen in die Arbeitswelt eingetreten sind – Ideen, die in ihrem Arbeitsumfeld nicht immer erfüllt werden können, was zu Widerständen und damit zu Fluktuation führt.
Wie beim Onboarding erfordert auch die Einführung eines Plans für die interne Mobilität Gespräche zwischen allen Beteiligten. Manager sollten darüber Bescheid wissen, wenn der Wunsch eines Mitarbeiters besteht, in einen anderen Bereich zu wechseln, und es sollten die entsprechenden Weichen gestellt werden, damit dies möglich ist und der Mitarbeiter auch zurückkehren kann, wenn es nicht funktioniert.
Grundsätzlich, so Dimitri Boylan, können Unternehmen mit dem richtigen Personal, der richtigen Liquidität und der richtigen Firmenpolitik damit beginnen, ihre Strategien für die interne Mobilität aufzubauen. Dies kann auch ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens einschließen, die sie möglicherweise zurückbekommen möchten. Und wie können Unternehmen herausfinden, wer diese ehemaligen Mitarbeiter sind und warum sie sie zurückhaben wollen? Dimitri Boylan legt nahe, dass man mit einem guten Leistungsmanagementplan weiß, wen man zurückhaben möchte, und dass diese Mitarbeiter in der Lage sein werden, nach ihrer Rückkehr sofort loszulegen.
Wenn es darum geht, Talente zu versetzen, erwähnt Katie Pearce, dass vorübergehende Versetzungen für Molson Coors gut funktioniert haben. Ihr Programm, das es Mitarbeitern ermöglicht, für eine bestimmte Zeit in einen anderen Bereich des Unternehmens zu wechseln, gibt ihnen die Möglichkeit, einen neuen Teil des Unternehmens und die damit verbundenen Aufgaben und Möglichkeiten kennenzulernen.
Die Ergänzung dieser Art von internem Mobilitätsprogramm durch eine Lern- und Entwicklungsstrategie, welche die Mitarbeiter auf interne Möglichkeiten vorbereitet, die sie möglicherweise nutzen möchten, ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Für die Mitarbeiter ist es ein Rahmen, der es ihnen ermöglicht, auf ihrem eigenen Karriereweg voranzukommen, und die Unternehmen profitieren von den Vorteilen einer zunehmend qualifizierten Belegschaft.
Der Kompetenz-Faktor
Um herauszufinden, welche Mitarbeiter für die Besetzung interner Stellenangebote geeignet sind, ist es heute notwendig, einen Blick auf die Kompetenzen der Belegschaft und darauf zu werfen, wie diese angeeignet werden können.
Im Zusammenhang mit den Kompetenzen hebt Dimitri Boylan die Rolle hervor, die KI dabei spielen kann, die eigene Strategie auf die nächste Ebene zu heben. KI eignet sich außergewöhnlich gut dafür, Verbindungen und Beziehungen zwischen riesigen Datenmengen herzustellen, was Vorhersagen ermöglicht. Wendet man KI bei einer Strategie zum Kompetenzabgleich an, so können Unternehmen ihre Qualifikationslücken besser verstehen und herausfinden, worauf sie ihre Maßnahmen konzentrieren sollten, ohne sich mit dem Zeitaufwand befassen zu müssen, den ein Mensch benötigt, um große Mengen an Informationen durchzusehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den Dimitri Boylan herausstellt, ist, dass Unternehmen ihre Kompetenzstrategie fokussieren müssen. Man möchte nicht nur viele Kompetenzen haben, sondern vielmehr eine Reihe spezifischer Kompetenzen. Und man benötigt eine klare Aufgabenstellung, damit die Technologie, die dabei hilft, sie zu finden, richtig eingesetzt werden kann. Angetrieben von der Dynamik eines Unternehmens, seiner Ausrichtung und der richtigen Technologie können sich die Kompetenzprofile dann so verändern, wie es für ein Unternehmen erforderlich ist, um wettbewerbsfähig zu sein.
Ein automatischer Vorteil bei der Erstellung eines Kompetenzprofils ist der Aspekt der Vielfalt. Dies liegt laut Dimitri Boylan daran, dass Unternehmen anfangen, Kompetenzen in den Vordergrund zu stellen, und nicht persönliche Vorlieben oder Meinungen, die zu Voreingenommenheit führen können.
Fazit
Die Pandemie hat das alte Modell der Personalplanung mit einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren offiziell außer Kraft gesetzt. Stattdessen werden diese Pläne nun innerhalb von Monaten oder weniger umgesetzt, und die Lernkurve erfolgt „on the job“. Um erfolgreich zu sein und die Mitarbeiterbindung aufrechtzuerhalten, müssen Unternehmen flexibel und anpassungsfähig sein. Die Devise lautet: entweder schwimmen oder untergehen.
Ohne einen Fokus auf Mitarbeiter-Feedback ist keine Mitarbeiterbindung möglich. Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern zuhören, um deren Erfahrungen und Erlebnisse zu verstehen, können sie die Lücken erkennen, an denen sie arbeiten müssen, und Pläne erstellen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter und nicht nur denen des Unternehmens entsprechen.
Isolation ist eine unmittelbare Folge, auf die sich auch Unternehmen und insbesondere die Personalabteilung einstellen müssen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Mitarbeiter eingebunden sind, sind ein offenes Ohr und eine helfende Hand nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Den ganzen Tag zuhause vor einem Bildschirm zu verbringen, strapaziert sicherlich die psychische Gesundheit der Mitarbeiter. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Personalabteilung stärker auf jeden Einzelnen im Unternehmen eingeht. Schließlich sind Mitarbeiter viel mehr als nur Puzzleteile eines Unternehmens: Sie sind Menschen.